Beiträge von Zaungast

    Hi,
    ich bin neu hier im Forum.
    Lese des öfteren und vor allem wegen HM.
    Das für und wider ist immer interessant, aber die Wahrheit liegt wohl in der Mitte.
    Hatte irgendwo im Netz einen Artikel gefunden, weiß aber nicht mehr von wem.
    Der unbekannte Schreiber möge mir verzeihen - muß wohl ein Franke sein - aber er spricht mir aus dem Herzen:


    Danke, Hans Meyer!
    Persönliche Worte zur Entlassung Hans Meyers von Alexander Endll
    Es war der 9. November 2005 als ich in meinem Hausblog die folgenden Zeilen schrieb »Hans Meyer! Hans Meyer! – Das ist eine klasse Nachricht.« Die Euphorie war nicht gekünstelt. Gerade wurde der Nachfolger des entlassenen Wolfgang Wolf bekannt gegeben, Hans Meyer. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass mir Hans Meyer als Trainer und Person immer eine größere Lichtgestalt des deutschen Fußballs war, als es Franz Beckenbauer je sein könnte. Denn Hans Meyer kombinierte etwas in sich, was für den deutschen Durchschnittstrainer hohe Trauben sind: Fußball-Sachverstand, Artikulationsfähigkeit und Intelligenz auch außerhalb des Sports. Nur eines konnte er nicht: Heucheln. Und das brachte ihn jeher auf Konfrontationskurs mit den Medien. Meyer konnte einfach nicht auf die immer gleichen stupiden Fragen die gleichen falschen Antworten bringen, auf hohle Phrasen-Fragen hohle Phrasen-Antworten geben. Das machte ihn im Erfolg zum Liebling des gehobenen Boulevards, während die Tiefen des Boulevard sich in ihrem Innersten gepeinigt sahen. Und eines muss man dem Boulevard lassen, wenn sie hassen, hassen sie unvergeben und ihre Mühlen mahlen langsam. Ganz offenbar brachten sie es nun auch fertig, den Druck wieder einmal – wie einst in Gladbach – stetig zu erhöhen. Und während Fans und Umfeld offenbar noch an Hans Meyer glaubten, zog das Präsidium nun die so genannte Notbremse.
    Eine Notbremse auf Platz 16 mit 16 Punkten aus 19 Spielen, sicher auf dem Papier nachvollziehbar. Klar auch, dass spätestens nach dem Rostock-Spiel, eigentlich als Wendepunkt für den Weg ins Mittelfeld deklariert, alle Alternativen in Betracht gezogen werden mussten. Fragen mussten gestellt werden wie: Erreicht der Trainer die Mannschaft noch? Stimmt die Chemie noch in der Truppe? Sind taktische Fehler gemacht worden? Kann ein Trainerwechsel noch einen Impuls setzen? Alles Fragen, die eine verantwortungsbewusste Vereinsführung sich stellen muss! Die Antwort lautete: Eine Entlassung und (wohl) ein neuer Impuls mit Thomas von Heesen.
    Für mich ist diese Entscheidung falsch.
    Keine Frage, auch ich wog die Möglichkeiten ab. Auch mir sind die Für und Wider bekannt und auch ich sah eine Entwicklung, die ich wie folgt kurz zusammenfassen will. Die Leistungen der Mannschaft waren nach der direkten Übernahme und in der folgenden Rückrunde 2006 eine Sensation. Die Mannschaft, gerade noch von Mainz unter Wolf debakulös auseinander genommen, spielte wie von einem anderen Stern. Einer der Sterne, die aufgingen, war ein fast schon abgeschriebener Slowake namens Vittek. Seine Leistungen waren schlicht nahe der Weltklasse in dieser Rückrunde. Meyer – eigentlich als Oldie aus dem Rentenstand reaktiviert – spielte ein modernes 4-3-3 holländischer Prägung mit Saenko und Vittek als schnelle Außen mit Zug zum Tor. Die halbe Liga horchte auf und Europas Späher schielten nach den beiden. Die Folgesaison dann mit einer weiteren Sensation: Meyer gelingt es Galasek zum Club zu lotsen und sorgt so für einen lang vermissten Stabilisator in der Defensive, für internationale Klasse auf der 6er Position – eine Klasse, die maßgeblich zur Stabilität in engen Situationen führte. Die Saison begann wie die alte aufhörte: Mit einer Sensation nach der nächsten, der Club zeitweise auf Platz 1. Die Euphorie kannte keine Grenzen mehr. Das Stadion, schon als Stimmungstod dank halbvoller kaum füllbarer Ränge verschrien, wurde wieder zur Festung, die Fans strömten wie in den besten Tagen. Die Mannschaft zeigte Geduld und Stabilität und nahm so manchen Punkt mit.
    Doch die Saison hatte auch Schatten, die aber aufgrund des durchgehend guten Tabellenstandes und des immer näher heranrückkenden DFB-Pokalendspiels, das am Ende alles überstrahlen sollte, in der Euphorie untergingen. Das Spielermaterial – so despektierlich einmal genannt – erwies sich als zunehmend fragil. Was Meyer anfangs noch mit wahrer Virtuosität kombinierte, begann erste Probleme zu zeigen. Die vielen Unentschieden waren einem Pinola, Galasek und Schäfer zu verdanken, unterstützt von daneben aufblühenden Wolf und Reinhardt. Und Glauber spielte wie ein brasilianischer Nationalspieler. Das Problem aber auch hier bereits der Torabschluss und bisweilen der Spielaufbau. Unentschieden um Unentschieden quälte man sich, den Fans und den Gegnern ab, doch mit dem Hintergrund wo man herkam war ein so erspielter einstelliger Tabellenplatz wie Weihnachten und Ostern zusammen. Doch den Unentschieden folgte eine immer schlechtere Rückrunde – mit dem Ergebnis, dass man am Ende vor dem Hannoverspiel im schlimmsten Fall vom UEFA-Cup-Platz auf einem Platz schlechter als 10 hätte fallen können. Das Spiel in Hannover brachte einen glücklichen und überraschend klaren Sieg und alles schien wie vergessen. Auch der DFB-Pokal war im Rückblick vom Spiel gegen Frankfurt und dem Endspiel überlagert, doch die Runden davor waren Qualen. Paderborn zum Beispiel war nur durch das Comeback des Phantom an der Blamage vorbei. Doch immer wieder schien sich gerade in kritischen Momenten das Blatt zu Gunsten des Club zu wenden. Hans im Glück sozusagen – so was kannte der Club-Fan gar nicht.
    Doch die Probleme waren da. Die anfangs ausgelöste Euphorie brachte Spieler weit über ihren aktuellen und vielleicht auch realistischen Zenit. Mitgerissen in einer nicht enden wollenden Welle des Erfolgs spielte sich ein Wolf und Reinhard sogar in die Nähe der Nationalmannschaft, wie auch einen Pinola und einen Saenko. Meyer konnte einen Spiranovic gegen Makaay stellen und der schaltete den Top-Stürmer einfach aus. Was Hans Meyer anfasste gelang. Doch das konnte Meyer selbst am besten beurteilen. Was ihm als notorisch (unnötiges) Understatement ausgelegt wurde, war nüchterne Einschätzung: Der Club und die Spieler befanden sich definitiv auf einer zu hohen Wolke. Klar, dass man die nicht verlassen will, doch mahnend rief er Spielern und Umfeld zu, was ein Fall bedeuten würde. Selbst im Moment des größten Triumphes wiegelte er ab, verwies auf die limitierten Mittel und sagte prophetisch, dass die so hoch gejubelte Mannschaft erst dann eine wahrhaft große sei, wenn sie einen tiefen Fall überstehe würde. Belächelt, nun selbst aus den eigenen Reihen, plante man den nächsten Coup, den nächsten Schritt auf der Leiter: Einstelliger Tabellenplatz und spielerisch nun auch noch mitspielen, statt nur dabei und punkten. Vielleicht unvermeidlich, was folgen würde.
    Die Mannschaft, der Verein, die Fans mussten sich quasi selbst überschätzen. Jetzt noch verstärkt mit einem groß bei Bochum aufspielenden Misimovic, einem Leistungsträger Kluge, einen Nationalhelden Charisteas und einem Hoffnungsträger Jacobsen, konnte doch eigentlich nur noch mehr gehen. Wenn Meyer dann warnte, wie gegen Wolfsburg, man solle sich doch einmal die Transfers um sich herum ansehen und mit dem Club vergleichen, wurde er müde belächelt. Einem Pokalsieger und UEFA-Cup-Teilnehmer nimmt man Tiefstapeln nicht ab. Doch Hans Meyer hatte einfach Recht.
    In aller Euphorie ging unter, dass die Trauben für den Club noch hoch hängen. Niemand hinterfragte, warum ein Mann wie Misimovic und Kluge denn – obwohl mit auslaufenden Verträgen ablösefrei – zum Club gingen. Sicher war dies auch der Überzeugung eines Hans Meyer zu verdanken, aber eben auch, dass die Spieler nicht im Fokus der Top-Clubs waren.
    Ein Versehen? Wohl kaum. Ein Charisteas war für die Fans nicht unbedingt die Traumlösung, doch war er keine schlechte Wahl in Anbetracht dessen, was für den Club zu stemmen war. Danny Koevermans war sicher erste Wahl – aber schlicht nicht zu finanzieren oder nur unter totaler Selbstaufgabe aller Vernunft. Hätte man machen sollen, werden manche sagen, aber es war zum einen nicht die einzige Baustelle, die offen stand, zudem noch die Frage, ob Koevermans überhaupt zum Club wollte.
    Nürnberg – das muss man auch mit Fan-Liebe sagen – befand und befindet sich erst wieder auf dem Weg in die Stabilität der ersten Liga. Wie viel (auch finanzielles) Engagement, dies bedarf sieht man an der Konkurrenz aus Hannover, Berlin, Wolfsburg oder auch Frankfurt, deren Wintereinkäufe jegliche Transfermöglichkeiten eines Fenin und Caio mal so aus der hohlen Hand übertrafen. Mag es der Fan nicht hören wollen: Die Mannschaft spielte über Soll. Ein Wolf ist ein echtes Talent, aber auch ihm fehlt noch einiges zur Spitze. Viele Spieler wähnte man weiter als sie waren – keiner hätte das einschätzen können, wie sie sich entwickeln werden.
    Euphorie ist eine wunderbare Triebkraft, wehe aber, wenn sie ins Zweifeln gerät. Und so war dann eigentlich doch nicht verwunderlich, dass nach dem Flug der freie Fall kam. Die Mechanismen fehlten eben, die – wie Werder Bremen dieses Jahr – einen dazu bringen, den Fall erst abzuschwächen, dann abzufangen und dann behutsam in einen Aufschwung zu nutzen. Meyer setzte all seine Routine ein, aber ich glaube, nicht die Misere war sein Problem, sein Problem war der zu hohe Flug. Ein Saenko wähnte sich offenbar bereits als unverstandenes Genie, andere als zu unrecht unberufene in die Nationalmannschaft. Verletzungen brachen auf, die auch der Überanstrengung vielleicht geschuldet waren, die der Kader nicht kompensieren konnte. Hoffnungsträger wie ein Mintal konnten die dazu kommenden persönlichen Rückschläge nicht in einer intakten Mannschaft mehr kompensieren. Die Mannschaft versuchte das Unmögliche: die Leichtigkeit zu finden. Und vor lauter Leichtigkeit vielen Treffer aus Leichtsinn wie von der Stange.
    Heute ist Hans Meyer entlassen worden. Die üblichen Mechanismen der Branche. Die Entscheidung der Verantwortlichen, für die sie vom Boulevard gelobt werden. Königsmörder eben. Da machte man nichts falsch. Doch, macht man.
    Denn mit Hans Meyer geht ein Trainer, der weit mehr als ein Galasek, der am Ende seiner Karriere noch mal alles aus sich rausholte aber einfach platt jetzt ist, der eigentliche Star der Mannschaft war. Einer, den sich die Nürnberger eigentlich gar nicht leisten hätte können, einer der besten seiner Zunft und ich glaube das wird keiner der Kollegen ernsthaft anzweifeln. Einer, der nur deshalb nicht ganz oben landete, weil er mit dem Pfund des ungelittenen Ossi-Trainers rumlaufen musste, als er eigentlich einen Top-Club hätte trainieren müssen, der für einen verschobenen DDR-Leistungssport zur Verantwortung gezogen wurde und seine besten Jahre bei eine kleineren Club in den Niederlande überbrückte, bis wieder die Zeit reif wurde für einen deutschen Trainer aus dem nun endlich ehemaligen Osten. Doch da stand Meyer noch etwas anderes im Wege, wie einst schon Otto Rehhagel: Die Unverträglichkeit mit dem Boulevard. Und diese Eigensinnigkeit kostete ihn schon den Job bei Gladbach, und offenbar nun auch den in Nürnberg.
    Hans Meyer hat dem Club etwas gegeben, was andere gerne mit viel, viel Geld bezahlen würden: Einen Titel. Aber nicht nur das: Er hat den Fans des 1. FC Nürnberg Stolz zurückgegeben. Das Gefühl nicht der Depp zu sein, sondern Teil eines historischen Vereins mit einer langen Geschichte. Hätte die Geschichte auch in der 2. Liga geendet, vielleicht tut sie das auch so, vielleicht auch nicht, wer weiß das schon. Man hätte diesen Mann einen würdigen Abgang geben müssen. Es gibt eben Dinge, die sind jenseits der Mechanismen der Branche, es gibt eben auch Dinge, wie die erfolgreiche Zeit unter Hans Meyer, die es eigentlich gar nicht hätte geben können nach menschlichem Ermessen.
    Wir sind wieder da, wo wir waren. Ein kleiner Fußballverein mit komischen Umgangsformen, mit undichten Stellen, die das Boulevard füttern, mit einer Vereinsführung deren Treueschwüre zwar mal länger als sonst hielten, aber das nur marginal wenn es schlecht läuft, und die sich auch nicht zu schade dafür ist einen Trainer – dessen Entlassung offenbar schon beschlossene Sache war – noch mal vor die Presse treten zu lassen um sein Konzept für die nächsten Spiele zu erläutern. Wir sind eben wieder ein bisschen der Depp, der Provinzclub. Das waren wir, fühlt sich an wie früher, deswegen bleiben wir trotzdem verbunden. Eben typisch Franken: Schwer zu begeistern, aber dann treu bis in den Tod.
    Aber eines ist doch anders: Eine kleine Zeile am Briefkopf, eine Gravur auf einem Pokal und die Erinnerung an die vielleicht beste Zeit beim Club in unserer Generation.
    Hans Meyer, meinen herzlichen Dank!


    Alexander Endl :hoch: - hatte es doch mit gespeichrt