Ich frage mich, wie die Bestandsanalyse im Laufe der Rückrunde der letzten Saison aussah und welchen Ansatz man verfolgte.
Beispiel Stürmer:
Meine Wahrnehmung aus der Ferne ist, dass wir in der letzten Saison in der Vorrunde längere Zeit in einem 4-4-2 mit Raute und in der Rückrunde überwiegend in einem 4-2-3-1 spielten. Unabhängig vom System blieb die Torgefahr der Stürmer jedoch das große Problem. Aus diesem Grund hatte man - sicher nicht zu Unrecht - die Verpflichtung neuer Stürmer als Hauptaufgabe für das Transferfenster identifiziert. Entsprechend wurden Daferner, Duah und Wintzheimer verpflichtet und für unsere Verhältnisse richtig Geld in die Hand genommen. Zudem wurden Shuranov, Köpke und Lohkemper behalten, wenngleich die beiden letztgenannten verletzungsbedingt länger ausfielen. Nominell also 6 Stürmer. Aber für welche Position(en) waren sie eingeplant? Wollte man weiterhin in einem 4-2-3-1 spielen? Wollte man auf ein System mit zwei Stürmern umstellen? Welche Konsequenzen ergaben sich daraus für die anderen Positionen?
Beispiel Mittelfeld:
Krauß stand bereits lange als Abgang fest. Es wurde kommuniziert, dass mit Castrop bereits ein interner Ersatz vorliegt. Zudem wurde in den guten Phasen die Auswahl 2 aus 3 zwischen Nürnberger, Tempelmann und Krauß als Luxusproblem erachtet. Wenn aber Castrop der Ersatz für Krauß ist, weshalb spielt er dann als RM/RA? Hat Krauß das bei uns gespielt?
Überhaupt offensive Außen. Wir gingen ohne klassische offensive Flügelspieler in die Saison. Mit Abstrichen kann man meinetwegen evtl. Wekesser dazu zählen, aber sonst? In der Rückrunde spielten überwiegend Schleimer und Duman dort, durchaus mit Erfolg. Sie interpretierten die Position aber anders und hatten v.a. zwei dynamische Außenverteidiger im Rücken, die gerne bis zur Grundlinie durchbrachen. Zudem bewegte sich auch MMD oft auf außen und half dabei Überzahl und damit gefährliche Situationen zu erzeugen. Das sieht man in der Saison quasi nicht mehr.
Möglicherweise wollte Klauß wieder mehr auf sein 4-2-2-2 mit zwei 10ern setzen. Das hat aber quasi nie funktioniert. Kann ich das System ohne offensive Außenverteidiger spielen? Wer besetzt die Flügel?
Dann holt man aber einen Trainer, der auf allen seinen früheren Stationen am liebsten auf ein flaches 4-4-2 setzte. Nur hatten wir dafür wie gesagt überhaupt nicht die Spieler. Was hat man sich also dabei gedacht? Zur Winterpause nimmt man daher erneut Geld in die Hand (zumindest für die Verträge) und holt mit Blum und Goller notdürftig zwei offensive Außen. Der eine ist direkt verletzt, der andere spielt keine Rolle.
Beispiel 6er. Nürnberger und Tempelmann haben teilweise starke Spiele auf der 6 gemacht, beide sind aber eher ZM als DM. Auch Geis braucht eher einen klassischen 6er neben sich. Mit Flick hat man in der Winterpause reagiert, er ist aber auch bald wieder weg. Für welche Posistion war Castrop denn eingeplant? Und wie erklärt sich der Transfer von Puerta? Sind Tempelmann, Nürnberger und Castrop im Sommer also weg? Traut man Jahn, Ilic und Fuchs nichts zu?
Beispiel Außenverteidiger:
Fischer wurde kurz vor der Saison - nicht zuletzt aus finanziellen Gründen - abgegeben. Gyamerah war auf dem Papier der positionsgetreue Ersatz. Vergleicht man die individuellen Fähigkeiten der beiden, muss man aber doch erkennen, dass es nicht ausreicht nur jemanden zu verpflichten, weil er die gleiche Position spielt. Man muss sich doch überlegen, welche Fähigkeiten habe ich abgegeben und was brauche ich für meinen Spielansatz. Haben es Gyamerah und Valentini diese Saison aus dem Spiel heraus (nicht im Anschluss an eine abgewehrte Standardsituation) mal zur Grundlinie geschafft? Ist das überhaupt ihr Spiel? Dass links Handwerker und Wekesser langfristig ausfallen kommt erschwerend hinzu. Ebenso dass der frisch verpflichtete Horn auch sofort ausfällt. Aber wieso versuche ich dann nicht, Brown eine Chance zu geben? Ist er wirklich ein schlechterer Linksverteidiger als Nürnberger oder Gyamerah? Wegen eines schlechten Rückpasses in der Wintervorbereitung? Falls das der Maßstab ist, dürfte Gyamerah nun auch erstmal raus sein.
Beispiel Innenverteidiger:
Auch hier wurde mit Sorensen (aus finanziellen Gründen) kurz vor der Saison ein Stammspieler abgegeben. Er bildete mit Schindler ein solides IV-Duo, das uns in den Vorjahren oft gefehlt hatte. Beide ergänzten sich gut in ihren Fähigkeiten, Sorensen verfügte insbesondere über eine bessere Grundschnelligkeit als Schindler sowie über einen besseren Spielaufbau. Mit Lawrence erfolgte auch hier auf dem Papier ein positionsgetreuer Wechsel. Er ist allerdings auch schon im gesetzteren Alter und sicher nicht der Schnellste. Von Hübner nun ganz zu Schweigen. Mit Fofana und Breunig gab es schließlich noch zwei ganz junge Spieler mit wenig Erfahrung im Profifußball.
Kurzum:
Nimmt man bspw. die Aufstellung gegen Dresden aus der letzten Rückrunde als Vergleich zu heute, sieht man folgendes:
Mathenia - Fischer, Schindler, Sorensen, Handwerker - Tempelmann, Nürnberger - Duman, MMD, Schleimer - Köpke
vs.
Vindahl - Valentini, Hübner, Schindler, Gyamerah - Castrop, Flick, Geis, Tempelmann - Duah, Daferner. (meinetwegen auch als 5-3-2 angeordnet)
Wie will man denn mit neun defensiven Spielern die beiden Stürmer ins Spiel bringen und Torgefahr erzeugen? Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen?!
Nun ein paar übergeordnete Fragen zur generellen sportlichen Philosophie:
Hat man nicht einmal gesagt, dass man auf jeder Position einen Zweikampf zwischen dem Etablierten und einem Herausforderer haben möchte? Beispiel Gyamerah und Valentini - wer ist hier Herausforderer?
Hat man nicht auch einmal gesagt, dass man immer zuerst schauen möchte, ob im Kader/Verein nicht bereits ein Spieler vorhanden ist, der eine Position besetzen kann, bevor man einen Transfer tätigt? Sind Blum und Goller bspw. besser als Vonic?
Und hat man nicht einmal gesagt, dass die Kaderplätze 22-25 den eigenen Jugendspielern vorbehalten sind? War es nicht Teil der Philosophie, über Transferüberschüsse eine wirtschaftliche und sportliche Entwicklung zu nehmen? Wer soll denn aus dem aktuellen Kader im Sommer einen (nennenswerten) Ertrag erzielen? Ist Weinzierl als großer Förderer von jungen Spielern in Erscheinung getreten?
Rückblickend ist vieles nun sicherlich einfach zu sagen. Das große Verletzungspech war so ebenfalls nicht abzusehen und hat einige Überlegungen über Bord geworfen. Aber insbesondere der Trainerwechsel bzw. die Verpflichtung von Weinzierl muss doch im Bewusstsein des vorhandenen Spielerkaders erfolgt sein. Was waren hier die Gedanken, wie das passen könnte?