(...)" 2
Pereira erklärt, an jenem Nachmittag habe das Wetter umgeschlagen. Plötzlich legte sich die Atlantikbrise, vom Ozean her zog eine dicke Nebelwand auf, und die Stadt war wie in ein klitschnasses, heißes Tuch eingewickelt. Bevor er sein Büro verließ, warf Pereira einen Blick auf das Thermometer, das er auf eigene Kosten gekauft und hinter der Tür aufgehängt hatte. Es zeigte achtunddreißig Grad. Pereira machte den Ventilator aus, begegnete auf der Treppe der Portiersfrau, die zu ihm sagte: Auf Wiedersehen, Doktor Pereira, atmete noch einmal den Geruch von Gebratenem ein, der im Hauseingang hing, und ging schließlich ins Freie hinaus. Vor der Haustür lag der Markt des Viertels, und die Guarda Nacional Republicana hatte zwei Polizeiwagen postiert. Pereira wußte, daß auf dem Markt Aufregung herrschte, weil die Polizei am Tag davor im Alentejo einen Fuhrmann erschossen hatte, der den Markt belieferte und Sozialist war. Deshalb war die Guardia Nacional Republicana vor den Toren des Marktes aufgezogen. Aber die Lisboa oder, besser gesagt, der Stellvertreter des Herausgebers, hatte nicht den Mut besessen, davon zu berichten, denn der Herausgeber war auf Urlaub, er hielt sich in Bucaco auf, wo er die kühle Luft und die Thermen genoß, und wer hatte schon den Mut, zu berichten, daß ein sozialistischer Fuhrmann im Alentejo auf seinem Karren massakriert worden war und alle seine Melonen mit Blut bespritzt hatte? Niemand, denn das Land schwieg, es konnte gar nichts anderes als schweigen, und derweil starben die Leute, und die Polizei spielte sich als Machthaber auf. Pereira begann zu schwitzen, weil er schon wieder an den Tod dachte. Und er dachte: Diese Stadt stinkt nach Tod, ganz Europa stinkt nach Tod." (...)
aus: Antonio Tabucchi: "Erklärt Pereira", Seite13/14.