Xavi hört zum Ende der Saison auf. Ein vielversprechendes Projekt, komplett in den Sand gesetzt, teilweise mit einer Kaderplanung, die an den Glubb erinnert. Ich bin gespannt ob Xavi jemals außerhalb Katars erfolgreich sein wird und bei Barcelona darf man gespannt sein, wer jetzt weiter mit den Hochbegabten arbeiten darf und wie lange es braucht, bzw. ob es überhaupt möglich ist, das Ding zum positiven zu wenden.
Ist der Barca Fußball unter Xavi eigentlich wirklich so statisch und unattraktiv wie man es gelegentlich liest?
Puuh, so krass wuerde ich es nicht sagen. Beispielsweise hat man im vergangenen Jahr die Bayern ordentlich vorgefuehrt, war aber nicht in der Lage die Chancen in Tore zu verwandeln. Auf der anderen Seite aber war der Gewinn von La Liga natuerlich auch etwas gluecklich: Viele knappe Siege, 8 Tore weniger kassiert und dabei 13 Punkte mehr geholt als aufgrund von xG und xGA zu erwarten war. Das hat Erwartungen geweckt, die diese junge Mannschaft nicht erfuellen kann. Xavi arbeitet sich dann auch noch gerne am Schiedsrichter ab und geht mit der Presse auf Konfrontation, was ebenfalls nicht foerderlich ist.
Wenn man sich auf das spielerische konzentriert, ergeben sich folgenden Probleme:
1) Xavi laesst "Juego de Pocision" spielen, allerdings eine ziemlich statische Variante, die davon lebt, dass Spieler am Ball fuer Ueberaschungsmomente sorgen. Da war Dembele ein wichtiger Faktor, da dessen Dribblingfaehigkeiten sicherlich mit zu den besten der Welt gehoeren. Was dieser teilweise fuer Raeume geschaffen hat, ist unglaublich. Halt ein absolut verwirrter Spieler und dazu extrem verletzungsanfaellig, aber an einem guten Tag gibt es keine fuenf Spieler die besser sind. Und letzte Saison hatte er eine hervorragende Phase!
2) Anschliessend daran, dass es wenig Raeume im Positionsspiel gibt, wird eben versucht viel individuell zu loesen: Dribblings um Unordnung zu generieren, Flanken um Strukturen aufzureissen und den zweiten Ball zu verwerten. Was bei den Dribblings noch halbwegs funktioniert, wobei da auch ein Spieler wie Raphinha regelmaessig Dinge macht, die an Dummheit kaum zu ueberbieten sind und eigentlich jeder Form von Positionsspiel im Wege stehen, aber der Plan der zweiten Baelle geht ueberhaupt nicht auf und is spaetestens seit der Verletzung von Gavi, dem einzigen Spieler mit natuerlicher Aggressivitaet gegen den Ball, ein Trauerspiel.
3) Die Zusammenstellung des Mittelfeldes ist katastrophal. De Jong war langfristig als Busquets-Ersatz angedacht, aber er ist jemand, der gerne mit dem Ball laeuft und auch in das letzte Drittel vorstoesst. Also alles nur kein Busquets-Ersatz. Man hat jetzt Guendogan verpflichtet und der spielt soweit ordentlich, aber die Rolle, die er bei City hatte, gibt es so bei Barcelona nicht und auch er laeuft viel mit dem Ball und versucht immer wieder in den Strafraum zu gelangen. Aehnlich macht das Pedri, aber keiner hat die strategischen Faehigkeiten wie Xavi. Vielleicht koennten sie alle irgendwie Iniesta ersetzen, natuerlich nicht in dessen Eleganz, aber die Spielkontrolle, die Xavi vermittelte, hat keiner im Programm. Oder um es anders auszudruecken: Keiner kann La Pausa.
4) Schlussendlich ist 3) auch ein Punkt einer verfehlten Transferpolitik. Es gibt bei Barcelona keinen Rechtsverteidiger seit Alves und jetzt hat man zum ersten mal mit Cancelo einen Spieler, der das halbwegs auf die Reihe bekommt, aber teilweise auch viel zu unserioes spielt. Trotzdem werden Kounde oder auch Araujo teilweise auf dieser Position eingesetzt, mit entsprechender Leistung. Manchmal spielt dort auch Sergi Roberto, der aber in seiner Zeit beim FC Barcelona, eigentlich zu keinem Zeitpunkt Stammspieler war und wenn man ihn spielen sieht, weiss man auch warum. Und schlussendlich gibt sich auch im Mittfeld ein unausbalanciertes Bild. Kann man Guendogan nehmen, wenn er zu haben ist? Sicherlich. Aber ein Sechser wie Zubimendi waere zehnmal wichtiger gewesen, stattdessen kam Romeo, der sich ja nicht einmal in Stuttgart durchsetzen konnte.
5) Was Xavi als Coach kann ist auch unklar. Er hat sich mit einem Team aus Verwandten umgeben - ich habe keinen blassen Schimmer wie er das durchbekommen hat, aber diese haben teilweise keinen Hintergrund im Fussball gehabt. Das sind dann auch wieder Entscheidungen, wo man sich Fragen muss, was sich der Vorstand denkt, aber Laporta, der sicherlich die beste Zeit Barcelonas zu verantworten hat, trat ja auch relativ planlos an und wurde nicht zuletzt aufgrund von Nostalgie wiedergewaehlt. Gut, er hat einige ordentliche Entscheidungen getroffen, aber beispielsweise den Trainer der B-Manschaft entlassen, Pimienta, der grossartige Ergebnisse erzielte und jetzt auch mit Las Palmas durchstartet. Da wurde dann auch vieles gemacht um etwas zu machen und nicht alles war sinnvoll.
6) Eventuell ist es auch so, dass Xavi zu sehr noch als Spieler denkt und glaubt, dass beispielsweise ein Pedri nicht gross gecoacht werden muesse, schliesslich hat er, Xavi, auf dem Platz auch die richtigen Entscheidungen getroffen. Das ist eine reine Vermutung, aber das Mikro-Coaching, was man beispielsweise von Guardiola kennt, der dann aber auch Spielern gewisse Freiheiten ueberlaesst, kann ich bei Xavi nicht sehen. Auch kein so krasses Einstellen auf den Gegner, bzw. Anpassungen waehrend des Spiels. Da muss man vielleicht auch damit leben, dass er (noch?) nicht das Level hat wie beispielsweise Guardiola.
7) Taktisch ist sicherlich das Umschalten in der Verteidigung ein grosses Problem. Es werden viele zweite Baelle produziert, diese werden nicht gewonnen, ein richtiger defensiver Mittelfeldspieler fehlt, dass Pressing ist mehr selbstorganisiert als wirklich strukturiert, der Gegner kann es relativ leicht ueberspielen und kommt mit viel Tempo auf die Abwehr zu. Und Zack, scheppert es. Araujo und Kounde sind eigentlich wirklich hervorragende Verteidiger, auch Christensen, aber in diesen Situationen kann man eigentlich nur verlieren, speziell, wenn man eh der Form hinterherlaeuft. Aber das eigentliche Problem ist taktischer Natur: Keine Geschlossenheit gegen den Ball, wohl auch bedingt durch das zur Verfuegung stehende Personal und dann keine Mittel, wie beispielsweise umgekehrte Aussenverteidiger, um die Konter vernuenftig abzusichern.
