Der Patzer in der 61 Minute darf einem Bundesliga-Torhüter EIGENTLICH nicht unterlaufen.
Aber ich meine, dass es hierbei einige Aspekte zu bedenken gibt:
1) Meiner Meinung nach trennt die guten von den sehr guten Profi-Torhütern die Strafraumbeherrschung. Gute, gewissermaßen übermenschliche Reflexe haben sie alle (wenngleich es auch da noch einmal besonders gute gibt; vgl.bspw. Rene Adler oder früher Andy Köpke). Sonst würden sie ein paar Ligen weiter unten stecken bleiben. Den Raum vor dem Tor richtig einzuschätzen, Bälle und Flugbahnen zu antizipieren und dann richtig zu handeln scheint aber der Knackpunkt zu sein, das was Petr Chech, Buffon oder bis ca. 2006 Jens Lehmann so heraus hebt bzw. gehoben hat aus der Riege der Torhüter.
2) Jeder Torwart hat seinen eigenen Stil (vermutlich stark vom Torwart-Trainer, aber auch von Anlagen oder Vorbildern geprägt). Es gibt die Nüchternen, Unspektakulären (wie Robert Enke), die vieles entschärfen, ohne dass man es so recht mitbekommt, die Show-Keeper (wie Raimond Aumann), die einen Schritt in die falsche Richtung gehen, um weiter springen zu dürfen, solche die prima Fußball spielen können (Neuer) und solche die nur Torwart sind (Kahn). Und dann gibt es welche, die Risiko gehen (bspw. Neuer), um Bälle zu gewinnen und welche, die sich keine Blöße geben wollen und fausten (wie Schäfer) weil: "wenn er rauskommt muss er ihn haben". Die Letzteren geraten nicht so sehr in die Schusslinie der oberflächlichen Berichterstattung, wenngleich sie meiner Meinung nach nur zur zweiten Garde der Torhüter zu zählen sind. Denn ein gefangener Ball landet, zumindest bis zur nächsten - gezielt durchgeführten - Aktion mit Gewissheit nicht beim Gegner, während ein gefausteter schnell zum Boomerang werden kann.
3) Rakowsky hat den Ball nicht gefangen. Ich habe mir die Szene noch ein paar Mal angesehen und muss sagen, dass er nicht übermäßig schwer war. Aber: er hat es versucht. Das will ich sehen. Und nicht einen Torhüter, wie auch immer er heißen mag, der einen nicht übermäßig schwer zu haltenden Ball wegfaustet. Auch Neuer, der ob man ihn noch mag oder nicht (ich nicht mehr), versucht solche Bälle zu fangen und leistet sich dabei einige Fehler. Auch Cech sorgte mit einem solchen Fehlgriff für das Ausscheiden seiner tschechischen Mannschaft bei der EM 2008 gegen die Türkei. Leider bleiben derlei Fehlgriffe eben hängen. Die vielen gepflückten Bälle werden dann leicht vergessen.
Ich persönlich denke, dass Schäfer nicht zu den besten 15 deutschen Torhütern zu zählen ist und kann mich trotz der durchaus gelungenen Paraden (die wie gegen Hamburg bisweilen phänomenal waren) auch direkt an drei schlimme Patzer in dieser Saison erinnern: misslungener Pass gegen Hamburg, unsäglich unnötiges Fausten gegen MGL in der ersten Hälfte und ein Katastrophen-Pass gegen Augsburg. Auch beim zweiten Tor von Hannover bringt er Nilsson unnötig in die Bredouille. Tadellos ist also auch seine Saison nicht.
Summa summarum bewerte ich Rakowskys Patzer als hinnehmbar, da er aus einer Auffasung des Torwart-Spiels entsprang, die ich persönlich sehr begrüße. Den Ball von Bance (der ein ganz eindeutiges Stürmerfoul beging) hätte Schäfer wahrscheinlich ebenso pariert. Das kann er. Dennoch sehe ich lieber einen Torwart, der versucht Bälle zu fangen als zu fausten.